Tja, das hier beschriebene spiegelt den Stand der Wirklichkeit – und nicht das „Wunschdenken“ viele Fachkräfte.
Wobei die Prüfungen nach EN60204-1 Punkt 18 (welche der Errichter, sprich Erbauer der Maschine durchführen müsste…) nur die eine Seite der Medaille sind. Zwar der Part der sich am allerleichtesten und auch schnellsten nachvollziehen und beim Maschineneinkauf überprüfen lässt (Dokumente/Prüfberichte vorhanden?), aber leider nicht das einzige was bei vielen Maschinen und Anlagen nach MRL nicht norm- und fachgerecht ausgeführt wird. Und zwar nicht nur von der elektrischen Seite.
Fehlende Schutzleiter, manchmal teilweise, manchmal komplett oder auch falsche Kennzeichnungen von Bauteilen, fehlerhafte Sicherheitskreise z.B. bei beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen, unzureichende Leitungsverlegungen usw. – alles dabei wenn ich mir die Anlagen ansehe welche mir unter die Finger kommen zu einer ausführlichen Erstprüfung….
Aber auch im Bereich der „Dokumentation“ und „Prüfung nach Errichtung durch den Hersteller“ gibt es neben der Elektrik oftmals dicke Lücken. In 95% aller Anlagen welche beispielsweise Lichtgitter bzw. Lichtvorhänge enthalten fehlt eine Validierung der Sicherheitsfunktion, sprich eine Erstprüfung – oder zumindest die Angaben die benötigt werden um eine solche Erstprüfung durchzuführen. Bei einigen Herstellern fehlt u.a. auch eine Risikoanalyse nach ISO12100, auch gibt es oftmals keine Berechnungen nach EN13849-1 hinsichtlich PLr und erreichtem Performance Level (wobei die beiden letztgenannten Punkte nicht an den Kunden ausgeliefert werden müssen, außer es wurde beim Kauf anders vereinbart)
Betreffend Abnahmen und Prüfungen durch den Maschinenbetreiber – da lässt die BetrSichV den Betreiber leider nicht völlig außen vor. Im Endeffekt muss sich der Unternehmer davon überzeugen das er seinen Mitarbeitern nur Arbeitsmittel an die Hand gibt welche (zumindest augenscheinlich) „Sicher“ sind. Wobei Arbeitsmittel ein komplexes Bearbeitungszentrum oder ein Walzanlage für Stahl (…welche eine kpl. Halle füllt) sein kann oder aber auch der einfache Hammer für den Schlosser oder auch der Schreibtischstuhl für die Sekretärin oder der Laptop vom Chef
Somit ist der Betreiber nicht völlig unbeteiligt, er muss hier auch was tun – sicherlich wird hier keiner eine detaillierte, tiefgreifende Prüfung verlangen welche auf alle Sicherheitsaspekte eingeht, aber eine gewisse Sichtkontrolle sollte schon stattfinden. Auf gut Deutsch wenn an einem Bearbeitungszentrum keine einzige Sicherheitstür abgefragt ist oder der Schutzleiter völlig fehlt, das sollte dann schon auffallen und entsprechend beanstandet werden, auch wenn hier bei uns bei Fehlern in/an der Maschine erst mal der Hersteller in der Haftung bleibt – am Rande erwähnt, in manchen Ländern ist das genau anders herum, z.B. in China – da haftet der Betreiber für die Sicherheit vollumfänglich, ggf. ein Grund für so manche grausige Konstruktion bei chinesischen Maschinen…
In meinen Augen ist es sinnvoll bei einem Maschineneukauf folgende Punkte zu prüfen und die Prüfung zu dokumentieren:
- Sichtprüfung Schaltschrank auf fachgerechte Ausführung ?
- Plausibilitätskontrolle Elektrik zur Maschine passend (z.B. Anzahl Motorschutzschalter passend zu Anzahl verbauter Motoren usw.) ?
- Plausibilitätskontrolle verbaute Sicherheitstechnik passend zur Maschine (z.B. bei 5 Schutztüren müssen 5 Sicherheitschalter vorhanden sein usw.) ?
- Funktionstest der Sicherheitseinrichtungen wie Schutztürschalter, Not-Halt usw. positiv ?
- Prüfprotokolle nach EN60204-1:2006/18.2.2 vom Hersteller vorhanden bzw. Prüfungen durchgeführt ?
- CE-Konformitätserklärung bei vollständigen oder zwingend vollständigen Maschinen bzw. CE-Einbauerklärung bei unvollständigen Maschinen vorhanden ?
- Betriebsanleitung vorhanden ?
- Prüfen ob die Abschaltbedingungen für die Absicherung der Maschine erfüllt sind (Schleifenwiderstand).
Wenn ich dann noch als Betreiber gewissenhaft meine Gefährdungsbeurteilung mache und meine Mitarbeiter zur Anlage unterweise und die wiederkehrenden Prüfungen nach DGUV-Vorsachrift 3 durchgeführt werden so sollte ich auch im Falle eines Betriebsunfalles an der Maschine auf der sicheren Seite sein so das ich zumindest nicht grob fahrlässige gehandelt habe….
Übrigens, wenn ein Hersteller kommt und sagt so Dinge wie eine Schutzleitermessung mache er generell nicht – diese müsste er wenn er die Arbeitssicherheit seiner eigenen Mitarbeiter nicht auf die leichte Schulter nimmt (ist nie was passiert, wird auch nix passieren…) - eigentlich muss er diese Prüfung machen bevor er die Maschine das erste Mal einschaltet, denn auch er muss als Hersteller dafür Sorge tragen das seine Mitarbeiter nicht gefährdet werden….
Betreffend den ganze Messungen nach EN60204-1:2006/18 – hier wird ja oft gefordert das neben der Überprüfung des Schleifenwiderstandes (der übrigens lt. Norm auch gerechnet werden darf) und der Durchgängigkeit des Schutzleiters auch Isolationsprüfung, (Hoch-)Spannungsprüfung und Prüfung auf Restspannung zwingend und immer durchzuführen sind, bei der Erstprüfung sowie auch bei den Wiederholprüfungen. Hier bitte mal den entsprechenden Punkt 18.1 der EN60204-1 genau lesen, dann wird klar welche Prüfungen immer gefordert sind und welche gemacht werden können, aber nicht gemacht werden müssen….spart manchmal ganz schön Aufwand